Bei Nachrichten über Ungarn wird meist von der neuen Verfassung und der Medienzensur geschrieben. Weniger oft wird über die Behandlung der Roma in diesem Land berichtet.
Am Rande eines Bürgerkrieges: Roma in Ungarn werden ,,evakuiert“. Weil die Staatsmacht in Ungarn nicht in der Lage oder Willens ist, die Einwohner vor Übergriffen rechtsextremistischer Paramilitärs zu schützen, hat das Rote Kreuz Frauen und Kinder aus der Gefahrenzone evakuiert. Die Regierung spricht von ,,Osterurlaub“. Der Staat bleibt so untätig wie zuvor, versucht lediglich die ,,Kontrahenten“ zu trennen. Inzwischen organisieren sich auch die Roma.
[Quelle: d|rom|a: Staat kapituliert vor Neonazis]
Da fragt sich mensch natürlich: Wie kann es soweit kommen? Eine Minderheit die so drangsaliert, bedroht, verachtet und ausgeschlossen wird. Vielleicht hilft uns da ein Artikel der Salzburger Nachrichten vom 21.April mit dem Titel: Festspielzeit auch für Bettlerbanden.
Auf Streife mit zwei Zivilbeamten in der Salzburger Innenstadt. Taschendiebe, Bettler, Betrüger: drei Festnahmen.
Ohne mit der Wimper zu zucken, werden sofort BettlerInnen, TaschendiebInnen und BetrügerInnen in einen Topf geworfen. So wird der Kriminalisierung von Bettelei Vorschub geleistet.
Es ist Osterfestspielzeit. Für Taschendiebe, Kreditkartenbetrüger und organisierte Bettlerbanden ebenso eine Festspielzeit. Wären da nicht engagierte Kriminalbeamte, die ein besonderes Auge haben.
Auch hier: Die Vermengung von Bettelei und Kriminalität. Und natürlich: Engagierte PolizistInnen die sich für Ordnung und Recht einsetzen. Im besten journalistischen Stil begleitet die SN dabei die Zivilstreife und betrachtet deren Alltag aus einer äusserst „objektiven“ Sicht.
Sie beobachten zwei südländisch wirkende Männer, die offenbar von einem Bandenchef Instruktionen bekommen. Dann lungern die Männer im Park neben der juridischen Fakultät herum. Sie fühlen sich offenbar beobachtet.
Ich will mal nicht so sein und über die Diskussion hinwegsehen, ob es möglich ist mit blossen Auge die StaatsbürgerInnenschaft von Menschen zu erkennen. Die Worte „Bandenchef“ und „lungern“ zeigen jedoch klar welche Position der Journalist vertritt.
Jetzt wird Verstärkung gerufen. Zwei Beamte in Uniform sichern die beiden Zivilbeamten. Alle acht Personen werden überprüft. ,,Die Frau ist ausgeschrieben zum Haftantritt, ebenso ein weiterer Slowake. In der Gruppe ist auch noch ein Ungar, der sich offenbar mit einem gefälschten Ausweis ausgewiesen hat“, erklärt Gauglhofer. Minuten später fährt ein Polizeibus vor, die drei Festgenommenen steigen bereitwillig ein.
Spätestens jetzt wäre doch der Zeitpunkt gekommen, die Betroffenen, die der Kriminalität und des Gesetzesbruches beschuldigten Menschen nach ihrer Warte, ihrer Position zu befrage. Fehlanzeige. Für die Salzburger Nachrichten scheint es so etwas wie Unschuldsvermutung und neutrale Berichterstattung nicht zu geben. Was die Polizei sagt, das gilt eben.
Die junge Eisverkäuferin am Salzachkai verfolgt scheinbar ungerührt das Geschehen. ,,Aber ehrlich gesagt, manchmal habe ich schon Angst, weil solche komischen Leute hier immer mehr werden.“
Schön wäre es wenn die Eisverkäuferin mit „komische Menschen“ die Polizei meint. Die Obrigkeit die sich an der Bettelei stösst und friedliche Menschen kriminalisiert. Aber nein, „komisch“ sind Menschen die am Strassenrand knien und betteln.
Wer jetzt noch nicht genug hat von der Behandlung sozial Benachteiligter Menschen, der wird belohnt. DerStandard.at berichtet:
In einem beliebten Bierlokal im Wiener Alten AKH dürfen sich Gäste nicht aussuchen, wen sie auf ein Getränk einladen
…
Darf man sich in der ,,Stiegl-Ambulanz“ nicht aussuchen, wem man ein Getränk spendiert? Nein, erklärt Hans-Peter Fasching, Serviceleiter des Lokals: ,,Man kann sicher nicht irgendeinen Sandler einladen.“ Warum? ,,Dazu gebe ich keinen Kommentar ab“, meint Fasching. Nur so viel: ,,Ich bin sicher nicht auf der linken Grün-Seite daheim.“
„Sandler“, „Zigeuner“, … sind Menschen zweiter Klasse. Nicht nur haben sie kein Recht auf die Unschuldsvermutung und objektiver Berichterstattung. Nein, sie dürfen in manchen(?) Lokalen nicht einmal auf ein Bier eingeladen werden.
Wenn Menschen so behandelt werden, in den Medien Hetze betrieben wird und sich kein Widerstand rührt – dann wird Vorarbeit geleistet, für die Vorgänge die heute in Ungarn und vielleicht morgen/übermorgen/heute(?) in Österreich passieren.