Durch die Wirtschaftskrise wird in den Medien sehr viel über Wirtschaft, deren Entwicklung und Geschichte berichtet. Dabei wird ganz im Sinne der Neutralität verschiedenen Positionen Platz gegeben. Diese Positionen pendeln zumeist zwischen der Kritik am Raubtierkapitalismus/Neoliberalismus und der Kritik am Staat und dessen Regulierungswut.
Unter den Kritikern des Neoliberalismus findet sich zb. Hans Rauscher, der diese in seinen Kolumnen im derStandard verbreitet. Stellvertretend für Positionen die in ähnlicher Form oft zu lesen sind, will ich da Kritik üben. Titel seines neuen Textes. Die Marktwirtschaft und „die Märkte“
Mit ein paar Sätzen über seinen Finanzminister, dessen Sparprogramm man nicht so ernst nehmen sollte, gab der italienische Premier den Hetzhunden der internationalen Finanzspekulation das Zeichen: Wir sind reif. Und die EU-Wirtschaftspolitiker müssen wieder einmal versuchen, irgendwie den Super-GAU abzuwenden.
Thema ist also die Aufregung um Italiens Wirtschaftssituation.
Die gefährliche Situation, in der sich wir alle, unsere Arbeitsplätze und unser Erspartes befinden, hat zwei Komponenten: erstens die Existenz einer internationalen Finanzindustrie, die sich von der Realwirtschaft losgelöst hat.
In diesem Satz stören mich bereits zwei Annahmen, die so nicht stimmen. Erstens trifft die Situation nicht „alle“, zumindest in keinster Weise alle gleich. Denn es macht einen Unterschied ob mensch ArbeiterIn ist oder ob ich eine Firma führe. Ob ich an der Börse spekuliere oder arbeitslos bin. Mit diesem „wir alle“ werden ökonomische Unterschiede nivelliert und ein Solidaritätsgefühl aller „ÖsterreicherInnen“ geschaffen, welches konkrete Interessensunterschiede verdeckt.
Und zweitens führt Rauscher den Unterschied von Finanz- und Realwirtschaft ein. Während natürlich die konkreten Handlungen von Firmen in diesen Branchen anders aussehen, haben sie doch das gleiche Ziel und gleichen Zweck: Aus Geld mehr Geld machen, also Profit zu generieren. Welche Funktion allerdings diese künstliche Trennung von Real- und Finanzwirtschaft in der politische Diskussion hat, werden wir gleich sehen.
Da ist zum einen die Philosophie des Deregulierens (der Finanzindustrie), die von den USA ihren Ausgang genommen hat. Seit den 90er-Jahren galt als neue überwölbende politische Ökonomie, dass „die Märkte“ schon wüssten, was am besten sei, bzw. die „unsichtbare Hand“ alle Ressourcen richtig leiten würde.
Trenne ich Real- und Finanzwirtschaft künstlich in zwei verschiedene Dinge, so kann ich ihnen auch unterschiedliche Dinge zu weisen. In dem Falle: Die Finanzwirtschaft ist ungeplant, chaotisch und ohne Sinn. Dass die „unsichtbare Hand“ auch in der Realwirtschaft tätig ist, diese seit dem Entstehen des Kapitalismus vorhanden ist, leugnet Rauscher hier.
Die Märkte“ haben sich von dem, was einmal „Marktwirtschaft“ hieß und einen nie dagewesenen Aufstieg des Westens ermöglichte, weit entfernt.
Und mit der Gegenüberstellung vom „guten Markt“ sprich Realwirtschaft und den „bösen Märkten“ sprich Finanzwirtschaft, kann ich Kritik am Kapitalismus üben, ohne dass ich dessen Rahmenbedingungen in Frage stelle. Und so ganz nebenbei: Den „Aufstieg des Westens“ als etwas gutes darzustellen, ohne die vernichtenden Auswirkungen auf die „nicht aufgestiegenen“ Regionen der Welt zu erwähnen, entlarvt das nationalistische („uns solls gut gehen, die anderen sind egal“) Denken.
„Marktwirtschaft“ war/ist ein politisch-ökonomisches System, das Wachstum und sozialen Ausgleich ermöglicht. Es besteht u. a. darin, Dinge und Leistungen tatsächlich zu erzeugen, die irgendjemand braucht.
Während die Finanzwirtschaft also nur aufs Geld scheffeln schaut, ist es das Ziel der Realwirtschaft nützliche Dinge für die Bedürfnisse der Menschheit zu produzieren. Zumindest laut Rauscher. Dass dieses in keinster Weise das Ziel von Unternehmen ist, sollte recht klar auf der Hand liegen. Profit ist das Ziel. Nicht aus Gier, sondern schon rein aus dem Überlebenswillen von Unternehmen. Wer nicht auf Geldvermehrung schaut, wird dabei schnell die Firma los sein.
Sie setzten damit auf ihre Weise auch die Marktwirtschaft außer Kraft. In den USA kam eher die Oberschicht in den Genuss von (Steuer-)Privilegien.
Nunja, die Konzentration von Reichtum in der Hand von wenigen Menschen/Unternehmen ist ja nicht gerade eine Sache die neu ist. Auch und besonders nicht neu im Kapitalismus. Das Ziel eines Systems dass auf Konkurrenz ausgelegt ist, als Fehler zu interpretieren, ist wenig sinnvoll.
Nun sitzt die westliche Welt auf einem Schuldenberg, einzelne Staaten in Europa stehen vor dem Staatsbankrott. „Die Märkte“ nutzen das in bedrohlicher Weise aus. Ein Impuls wäre, „die Märkte“ mit den Kräften des Marktes, der Marktwirtschaft zu disziplinieren. Das bedeutet, einige große „Player“ pleitegehen zu lassen, wenn möglich kontrolliert. Wer das ohne Entgleisung des Finanzsystems schafft, sollte Präsident von Europa werden.
Rauschers Wunsch nach einem Menschen der die widerstreitenden Interessen, das komplexe System durchschaut und eine Lösung für alle findet, ist illusorisch. Er sucht nach einer technokratischen Lösung, welche Interessen abwiegt und einen sinnvollen Kompromiss findet. Dabei ist das Ziel eben ein ganz anderes: Wie können die Staaten/Unternehmen die globale Wirtschaft retten, ohne selbst dabei Profit und Reichtum zu verlieren. Strategien dabei sind zb das Niedrighalten von Löhnen in Deutschland oder das Kapputsparen des Sozialsystems in Griechenland.
Notwendig ist ein Denken ausserhalb der von kapitalistischer Logik aufgestellten Grenzen. Nur ein Fallenlassen des Zwang der Konkurrenz, Lohnarbeit, Standortpolitik usw kann zu einer Lösung führen, die uns einer guten Gesellschaft näher führt. Einer Gesellschaft die, in den Worten von Rauscher selbst darin besteht
… Dinge und Leistungen tatsächlich zu erzeugen, die irgendjemand braucht.